Fällt heutzutage ein Reisender am Senftenberger Bahnhof aus dem Zug dann erwartet ihn nach einem kurzen Fußweg durch eine
Tropfsteinhöhle sowie eine halbwegs saubere Empfangshalle ein wunderschöner Blick auf Senftenberger Gastlichkeit... Ich nenne
den Kiosk am Bahnhofsvorplatz liebevoll "Kommandantur". Für jemanden wie mich, der unter der Woche zweimal täglich dort vorbei kommt,
sind die bei Wind und Wetter vor der Bude postierten Gestalten schon "alte Bekannte". Für den ortsfremden Besucher unserer Stadt
mag der Anblick jedoch befremdlich und nicht sehr einladend wirken.
Überhaupt ist das Thema "Gastlichkeit" in und um den Senftenberger Bahnhof aktuell eine ziemlich traurige Angelegenheit. Dies sah vor
85 Jahren noch völlig anders aus: Neben der Bahnhofswirtschaft gab es quer über die Güterbahnhofstraße die Gaststätte "Zur Eisenbahn".
Dort wo heute ein Bowling-Center beheimatet ist, befand sich dereinst das Hotel "Baranius". Von da in Richtung Moritzstraße schräg
über die Kreuzung lag der "Thüringer Hof" und ebenfalls nur ein paar Schritte entfernt Bode's Conditorei und Cafe.
Als besondere Attraktion verlegte der Inhaber Walter Bode beginnend 1930 in jedem Sommer einen Teil seiner Geschäftstätigkeit ins Freie.
Mit Hilfe einer Sondergenehmigung der Stadt Senftenberg war es ihm erlaubt, zwischen Mai und Oktober eine Konstruktion aus Eisen, Holz und
Leinwand vor seinem eigentlichen Geschäft aufzustellen. Dort konnten die Gäste bei Kaffee und Kuchen dem ständig zunehmenden Treiben
auf der Bahnhofstraße folgen.
Zwei Ansichtskarten aus dieser Zeit illustrieren den gar nicht einmal so kleinen und alles andere als provisorischen Bau recht gut.
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Photographie W.Theinert, Senftenberg, L., Bahnhofstr. 36 C382 Aufnahme <= 1934 Sammlung Theodor Restel
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Photographie W.Theinert, Senftenberg, Bahnhofstr. 36. Tel. 466 5976 Aufnahme <= 1939 Sammlung Matthias Gleisner
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Was die Entwicklung der Bahnhofstraße betrifft, so fand ich dazu im Senftenberger Anzeiger
des Jahres 1936 folgenden kleinen und eigentlich ganz gut passenden Beitrag:
Die Bahnhofstraße
Der Städte Zier sind schöne, ebene Straßen. Sie sind nicht nur eine Annehmlichkeit
für die Einwohner, sondern auch für die Besucher, die sich wohler fühlen als in einer
Stadt mit holprigem Straßenpflaster, mit schadhaften Bürgersteigen und anderen
Fehlern, die besonders bei schlechtem Wetter offenbar werden.
Senftenberg ist sich der Notwendigkeit, für ordentliche und saubere Straßen zu sorgenb,
erst in den letzten Jahren bewußt geworden. Vor allem mußten die Hauptverkehrstraßen
neuzeitlich hergerichtet werden. Einen recht ansprechenden, einladenden Eindruck macht jetzt
auch die Bahnhofstraße, die mit ihren Grünanlagen und Radfahrwegen alle anderen Straßen
übertrifft. Auf breiten, sauberen Bürgersteigen, gleichsam auf Gartenwegen gehen Einwohner
und Fremde einher, die sich mit Ruhe und Andacht die Auslagen in den vielen Schaufenstern
betrachten. Nicht allzulange mehr wird es dauern und die Kronen der Linden werden ihren
Balsamduft ausströmen.
Aber durch den Willen zum Aufbau hat auch mancher Bürger zum Ansehen dieser Straße
beigetragen. In den Blumenläden prangen die Kinder Floras, die Anlieger ließen sich
die bessere Ausgestaltung der Läden und Häuserfronten angelegen sein, die Gärten an der
Westseite der unteren Bahnhofstraße erhielten die notwendige Ergänzung, auf dem
freien Platz, auf dem die Baubude für den Straßenbau stand, entsteht ein neuer Garten.
Die Firma Karl Pusch hat ihr Grundstück mit einer Mauer abgegrenzt, die an Festtagen mit
Blattpflanzen geziert wird. Recht ansprechend wirkt auch die
Kolonade der Konditorei Bode, die zur Erfrischung einladet.
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