04.11.2018
|
|
|
VEB BILD UND HEIMAT REICHENBACH i.V. 6/829 IV-14-45 A 3/62 Echt Foto 487/62 Foto: Bild und Heimat (Kühn) Aufnahme <= 1959 Sammlung Matthias Gleisner
|
Angesichts der Tatsache, daß mir aktuell keine zeitgenössischen Tageszeitungen aus den 1950ern zur Verfügung stehen, kann ich auch keine belastbaren Aussagen
dazu treffen, wie das damals mit der Briesker Kampfbahn "Glück Auf" alles so seinen Lauf nahm. Deshalb kann ich heute nur aus einem Zeitungsbericht zitieren,
der 1967, also fast 15 Jahre später, in der Lausitzer Rundschau erschien und der wenigstens mit einigen Hintergrundinformationen aufwartet:
... Die Hauptverwaltung Kohle im Ministerium für Grundstoffindustrie stellte finanzielle Mittel für einen Normalsportplatz zur Verfügung. Unter Leitung des
Braunkohlenwerkes "Franz Mehring" wurde festgelegt, durch Eigeninitiative im Nationalen Aufbauwerk nicht einen Normalsportplatz, sondern ein Stadion zu bauen.
Von der Projektierung blieben nur die Maße des Innenraumes einschließlich der Laufbahn. Die Ränge für die Zuschauer wurden viel weiträumiger gestaltet. Die
dreifache Zuschauerzahl konnte dadurch im Stadion Platz finden. Die höhere und breitere Dammschüttung für die Zuschauer wurde dadurch möglich, daß in Eigeninitiative
von der Grube ein Gleis über die Fernverkehrsstraße 169 bis in das heutige Stadion gelegt wurde.
Sportbegeisterte Gleisarbeiter hatten es freiwillig gebaut, Lokomotivführer fuhren die Abraummassen freiwillig zum neuen Stadion. In Brieske war alles auf den
Beinen. Die Oberliga-Mannschaft mit solch bekannten Spielern wie Franke, Weist, Auras und Hentschel, war ständig im Stadion beim Bau zu finden. Tausende freiwillige
Stunden wurden gezählt. ...
|
Alles in allem muß der Bau relativ schnell vonstatten gegangen sein, denn laut einer Chronik von 1979 erfolgte die Grundsteinlegung am 17. August desselben Jahres.
Von da bis zum Tag der feierlichen Einweihung am 4. November 1953, also genau heute vor 65 Jahren, lagen ja nur zweieinhalb Monate.
Was die Berichterstattung hinsichtlich der Einweihung betrifft, ist diese sehr viel umfangreicher. Geschichten über jenen denkwürdigen Tag
wurden immer wieder gerne hervorgekramt und das wird wohl auch noch so lange weitergehen, wie es lebende Teilnehmer des Ereignisses gibt.
Da dieses aber nun schon einige Jahrzehnte her ist, befinden wir uns diesbezüglich (um beim Thema zu bleiben) aber so langsam am Ende der regulären Spielzeit...
Wir kennen natürlich den Grund, warum dieses Datum so fest in das kollektive Gedächtnis der Einheimischen eingebrannt ist...
Sicher nicht wegen der Eröffnungsrede des damaligen Staatssekretärs für Kohle und Energie, Max Fritsch!
Was die Anwesenheit von Adolf Hennecke, den "Aktivisten der ersten Stunde" betrifft ... einen Hinweis darauf fand ich nur in einer einzigen Quelle,
weshalb ich das mit einer Portion Zweifel betrachte. Vielleicht hat ja jemand der Leser noch eine Erinnerung daran und lässt uns an dieser teilhaben.
Ansonsten muß man die Geschichte wohl ins Land der Mythen und Legenden verbannen, denn möglicherweise wurden dabei zwei Sachverhalte vermengt. Adolf Hennecke
schüttelte nachweislich im März 1952 vor der Partie Turbine Halle gegen Aktivist Brieske-Ost, welches 4:1 für die Gastgeber ausging, den Spielern beider Mannschaften
die Hand. Ein weiterer Ehrengast bei diesem Aufeinandertreffen im Hallenser Wabbel-Stadion war Max Fritsch... Nachtigall ick hör dir trapsen!
|
Werbekunst Meye, Halle/S. Süd 11 Aufnahme <= 1951 Sammlung Ehrfried Hentschel
|
Nebenbei: In Halle liefen die Briesker in der Formation Lawecki, Kossack (ab 65. Minute Hentschel), John, Schurrmann, Ratsch, Wiesner, Pietrczak, Weist, Schwandt, Franke und Wachtel auf.
Die meisten der genannten finden wir auf der Collage in Postkartenformat oben wieder. Diese stammt jedoch spätestens aus dem Jahr 1951. Danach fanden einige Umbesetzungen in der
Mannschaft und auf der Trainerposition statt.
Das aber nur am Rande. Wenn es also nicht die Rede von Max Fritsch oder die Anwesenheit von Adolf Hennecke (eher nicht, siehe oben) war, die die Menschen in Größenordnungen von
30.000 bis 35.000 (genau wird man das nicht mehr feststellen können) in die kleine Bergarbeitergemeinde pilgern ließ, was war dann das große Zugpferd? Selbst wir, die nicht dabei waren,
wissen es mittlerweile natürlich ganz genau, wurde es uns doch von unseren Vorfahren (die natürlich ALLE dem Ereignis beiwohnten) immer wieder erzählt:
|
Anfang Oktober 1953 wurde angekündigt, daß Torpedo Moskau, zu diesem Zeitpunkt Dritter der sowjetischen Liga A, mehrfacher Landesmeister und
zweifacher Pokalsieger der UdSSR, anläßlich des "Monats der deutsch-sowjetischen Freundschaft" für 3 Freundschaftsspiele die DDR besuchen würde.
Zu Beginn war nicht klar, welchen lokalen Vereinen die Ehre zu teil werden würde, gegen die "Klasse-Elf" aus der Hauptstadt der Sowjetunion anzutreten.
Zwei Wochen später wurden Details bekannt: Die Anzahl der Spiele wurde um 1 erhöht und die Moskauer sollten zur Eröffnung des neuen Stadions in Brieske
auflaufen. Die Ankündigung erfolgte mit ziemlich kurzer Vorlaufzeit. Die Chronik der BSG Aktivist aus dem Jahre 1979 fasst die Situation folgendermaßen
zusammen:
Es verbleiben nur wenige Tage! Unter allen Umständen muß die Anlage fertiggestellt werden. Hunderte freiwilliger Helfer verdreifachen ihre Anstrengungen.
Tag und Nacht rattern die Betonmischmaschinen. Lastwagen und Traktoren mit Anhängern bringen Baumaterialien heran. Maurer betonieren, Kumpel planieren
Sandberge ein, Männer, Frauen und Jugendliche, alle sind sie dabei mit dem Ziel, das große Werk zu vollenden. Keine Frage, am 4. November, dem Tag des
Gastspiels der sowjetischen Fußballer, ist das neue Stadion zur Einweihung bereit!
Die Programmhefte konnten in Druck gehen...
|
|
|
Die Konterfeis der in obiger Start-Aufstellung aufgeführten Aktivist-Spieler finden wir allesamt auf der
rechts abgebildeten Collage wieder. Der dort ebenfalls sichtbare Lemanzcyk ersetzte in der zweiten Hälfte
des Spiels "Hugo" Hentschel.
Die "Werbekarte", so würde ich diese Produktion nennen, erschien spätestens Anfang 1954. Wahrscheinlicher
ist jedoch, daß sie zu Beginn der Saison 1953/54 herausgegeben wurde. Insofern spiegelt sie den Mannschaftskader
zum Zeitpunkt des Spiels gegen Torpedo Moskau ziemlich punktgenau wieder.
Die Karte ist in derselben Machart, wie das Stück weiter oben. Ich vermute, daß es noch mindestens eine
weitere Produktion in dieser Form gab. Aus dem Jahr 1952 und ggf. sogar teilweise farbig. Ich habe davon
jedoch noch kein Original in Postkartenformat in der Hand gehabt.
Falls also jemand...
Doch zurück zu jenem 4. November 1953. Übrigens einem Mittwoch, was die spontan abkömmlichen 30.000 bis
35.000 größtenteils werktätigen Menschen in einem etwas merkwürdigen Licht erscheinen lässt.
Unter ihnen waren auch Abordnungen anderer Fußballvereine. Einer dieser Teilnehmer
gab eine Woche nach dem Ereignis (aktuell die zeitnaheste Beschreibung, die mir vorliegt) seine Eindrücke
folgendermaßen wieder:
|
Werbekunst Meye, Halle Süd 11 Aufnahme <= 1954 Sammlung Matthias Gleisner
|
Die neue Fußball-Woche Nr. 46 vom 17. November 1953
|
|
|
Wie der Sportkamerad in seiner Einschätzung
schon schrieb: Aktivist blieb spielerisch in
diesem Match weit hinter den Erwartungen und
sicher auch Fähigkeiten zurück.
Die anderen deutschen Mannschaften, die während
dieser Gastspielreise ebenfalls gegen Torpedo
Moskau antraten, schlugen sich wackerer als
die Briesker. Der ZSK Vorwärts KVP Berlin
besiegte Moskau mit 4:2, Turbine
Erfurt unterlag knapp mit 1:2, das zusätzliche
Spiel einer (Ost-)Berliner Stadtmannschaft
gegen Torpedo endete 1:1 unentschieden.
Nur unsere Knappen gingen mit 0:5 gnadenlos
unter.
Der Spielbericht in der Neuen Fußballwoche
analysierte die verlorene Partie ausführlicher.
Selbst die DDR-Wochenschau-Kameras waren vor Ort,
um das Geschehen auf Film zu bannen...
Loading the player...
Leider wurden die letzten tumultartigen Minuten, wie
am Ende des Spielberichts erwähnt, nicht
gefilmt bzw. fielen dem Schneidetisch zum Opfer.
Viel Zeit um Trauer zu schieben, blieb unseren
Fußballern nicht. Am darauffolgenden Wochenende
ging es zum Punktspiel nach Meerane, wo man dann
auch gleich 2 : 1 siegte.
Die Jungs von Torpedo Moskau absolvierten noch
oben erwähntes Zusatzspiel in Berlin und beendeten
danach ihr DDR-Gastspiel. Bei den Treffen mit den
deutschen Mannschaften wurden natürlich Autogramme
gegeben. Diese werden heute noch gehütet wie ein
Augapfel...
aus der Sammlung von Ehrfried Hentschel
|
|
Obwohl angedacht war, das neue Stadion bis zum Juni des Folgejahres "ruhen" zu lassen, fand das nächste Heimspiel dennoch in diesem statt. Statt vor 30.000plus Zuschauern
diesmal nur vor 4.000 Anhängern. Es regnete und zu Gast war nur der aktuell Tabellenletzte Einheit Ost Leipzig. Trotzdem muß man wohl davon ausgehen, daß
in der Folge nie wieder oder nur sehr selten annähernd so viele Sportfreunde in die Glück Auf - Kampfbahn kamen, um dem runden Leder hinterherzuschauen.
Den Rest der Saison empfing Aktivist seine Gegner wahlweise in der alten Spielstätte neben der Badeanstalt oder wenn dieser Platz unbespielbar war in der neuen "Glück Auf" -
Kampfbahn. Mit Beginn der Saison 1954/55 avancierte das Stadion dann zur Standardspielstätte der Briesker Kicker.
Die hohe Anziehungskraft des Briesker Fußballs auf die einheimischen Anhänger kann man an den beiden nachfolgenden Mannschaftsfotos erkennen. Die Zuschauerränge
im Hintergrund sind jeweils gut gefüllt.
|
Foto Nummer 1 führt uns in die Zeit 1954/55. Die Produktion selbst war Bestandteil eines
Sammelalbums, das unter dem Namen Fotoalbum für unsere Freunde vom VEB Sport-Toto
1955 herausgegeben wurde.
Mir ist nicht ganz klar wie der Vertrieb des Ganzen erfolgte. Ob z.B. die einzelnen Sammelbilder,
wie eigentlich üblich, entkoppelt vom Sammelalbum im Umlauf waren. Der Einleitungstext des
Albums suggeriert etwas anderes. Irgendwie mussten Buchstaben auf Wettscheinen gesammelt werden,
um schlußendlich in den Besitz des Albums zu gelangen. Derartige Alben (größtenteils vollständig)
sind heute noch relativ leicht im antiquarischen Buchhandel erhältlich.
Jedenfalls wurde der Briesker Mannschaft die Ehre zuteil, in jenem Album verewigt zu werden.
Der zugehörige Text lautet:
SC Aktivist Brieske-Senftenberg (von links nach rechts John, Weist, Lehmann, Pietrczak, Sommer, Otto, Schwandt, Franke, Jünemann, Auras, Ratsch)
|
Serie II Nr.8 A G 09/55/DDR 57/974/4100 Aufnahme = 09.1954 Sammlung Matthias Gleisner
Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, sämtliche
Spielaufstellungen in dem infrage kommenden Zeitraum
zu analysieren. Demnach kommen nur zwei Termine
in Frage, an denen Aktivist daheim mit dieser
Startaufstellung antrat...
Demzufolge wurde die Aufnahme entweder vor dem Spiel
gegen Halle am 12.09.1954 oder vor dem Spiel gegen
Leipzig am 19.09.1954 gemacht.
|
Was Foto Nr.2 betrifft, ist dies ziemlich bekannt, denn es wurde in der Vergangenheit sehr oft reproduziert. Der Grund dafür ist
einfach der, daß wir hierauf die Mannschaft sehen, die im Jahr 1956 den größten Erfolg der gesamten Vereinsgeschichte erreichte.
In jenem Jahr wurde Aktivist Vizemeister innerhalb der DDR-Oberliga. Eine Platzierung, die weder zuvor noch später wieder am Ende
einer Liga-Saison in der obersten Klasse des DDR-Fußballs geschafft wurde.
Auf der Aufnahme sind von links nach rechts zu sehen:
Ratsch, Jünemann, Krüger, Franke, Lemanczyk, Marquardt, Gentsch, Pietrczak, Lehmann, Weist, John
Wann das Foto genau enstand, kann ich aktuell nicht sagen, da mir die Spielberichte der Jahre 1956 und 1957 nicht vorliegen, aus
denen man ableiten kann, wann die Briesker mit dieser Startelf in der "Glück Auf" - Kampfbahn aufliefen. Ich bin fest davon überzeugt,
daß die Mannschaft wie auch schon auf Foto 1, kurz vor Beginn eines normalen Punkt-, Pokal- oder Freundschaftsspiels abgelichtet wurde.
Vielleicht überrascht uns ja anläßlich des Jubiläums "100 Jahre Fußball in Brieske" Anfang des nächsten Jahres jemand mit einer detaillierten
Chronik aus der sich dann auch solche Informationen entnehmen lassen. Ein Sportfreund in Lauchhammer veröffentlichte vor kurzem ein Werk,
das die 111-jährige Geschichte des Fußballs in und um Lauchammer auf 280 Seiten dokumentiert. Meine Hoffnung, das wir 2019 mit etwas ähnlichem
für den Briesker Fußball rechnen können, ist relativ gering.
|
Foto: Sportfoto H.P: Beyer, Halle C 2 Echt Foto Handabzug T 446/57 - I/12/5 Aufnahme <= 1957 Sammlung Matthias Gleisner
|
Was die weitere Geschichte des vor 65 Jahren eingeweihten Stadions betrifft: 1956 entschied man sich dafür, die Sportstätte auch für andere Sportarten mit
hohem Zuschauerpotential zu erschließen. Um auf der Aschenbahn Speedway-Rennen austragen zu können, wurde diese auf 10 bzw. in den Kurven auf 15 Meter
verbreitert. Die hölzernen Wände in den Kurven, die man auf der Ansichtskarte ganz oben erkennen kann, waren meines Erachtens Bestandteile dieses
Ausbaus. Zwischen 1956 und 1974 wurde hier nun relativ erfolgreich und massenwirksam und auch unter internationaler Beteiligung Motorrennsport betrieben. Ich
erinnere mich dunkel, selbst als Knirps von 4 oder 5 Jahren einmal ein solches Rennen besucht zu haben. Danach konnte man mich samt Sonntagsausgehklamotten
erst einmal bei meiner Oma in die Badewanne stecken, so schwarz war ich. Als Schüler der Briesker Schule benutzten wir das Stadion auch für den Schulsport.
Dieses war Mitte/Ende der 1970er Jahre jedoch schon extrem herunter gekommen. Eigentlich eine Zumutung dort Sport treiben zu müssen. Danach ging es
mit der Anlage weiter stetig bergab. Mitte der 1990er erfolgte der Abriß des Sprecherturms und des umschliessenden Walls. An deren Stelle wurde unter dem
Namen "Im alten Stadion" ein kleines Wohngebiet errichtet. Die Bezeichnung erfolgte nicht ohne Grund, denn die ringförmige Hauptverkehrsstraße
innerhalb der Anlage erinnert in Form und Lage sehr stark an die Aschenbahn der alten Sportstätte...
|
|
|