Aufnahme vom Schützenfest der Schützengilde 1921 (Ende Mai 1921)
Ich gebe zu, die obigen Filmaufnahmen machen mir ein wenig Kopfzerbrechen. Sie tauchten in einem Stück mit zwei weiteren Sequenzen auf, die eindeutig
von anderen Anläßen stammen. Das Ganze war wild durcheinander gemixt. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, daß die drei bis vier Einstellungen, die
ich hier vereinigt habe, zu ein und demselben Ereignis gehören.
Ich könnte es mir einfach machen und die Schrifttafel, die ich an den Anfang gesetzt habe (sie war ursprünglich inmitten der 4. Sequenz enthalten und man erkennt
noch den Bildsprung), für absolut bare Münze nehmen und behaupten: Ja, das sind Aufnahmen vom Pfingstschießen der Senftenberger Schützengilde im Mai 1921.
Und vielleicht stimmt das sogar! Ich finde es jedoch sehr außergewöhnlich, daß wir auf den Filmaufnahmen doch eine gehörige Anzahl Mitwirkender wie Schaulustiger
erkennen können, die Berichterstattung im damaligen Senftenberger Anzeiger jedoch diesem Massenauflauf in der Senftenberger Innenstadt so gar keinen
Tribut zollt. Zum besseren Verständnis liefere ich nachfolgend die zeitgenössische Berichterstattung. Zumindest den größten Teil davon:
- Senftenberg, 21. Mai. (Egs.) Vom günstigsten Wetter begünstigt, konnte unsere stattliche Schützengilde ihr diesjähriges
Pfingstschießen abhalten, das noch eine ganz besondere Bedeutung erhielt, da in ihrer Reihe ein seltener Jubilar, Herr Fleischermeister
Julius Sachse, seine 50jährige Mitgliedschaft als uniformierter Schütze in völlig körperlicher und geistiger Frische und Gesundheit
festlich mitfeiern konnte. Am 1. Schießtage leitete Weckruf der starken Jetschick'schen Musikkapelle das Fest ein. Hierauf folgten die
üblichen Ständchen, während die Gilde sich beim bisherigen König zum Frühstück vereinigte. Von dort aus ging eine Offiziersdeputation,
bestehend aus den Herren Major Wolf, Adjutant Mönnich und Oberzahlmeister Petsch mit dem Herren Bürgermeister an der Spitze in Begleitung
von 8 Ehrendamen zu dem Jubilar, woselbst diesem in bewegten Worten seitens der Gilde die besten Glückwünsche dargebracht und ein von dieser
gestiftetes großes Porträtbild, darstellend den Jubilar in Uniform, mit Widmung und Jahreszahlen 1871 - 1921 überreicht wurde.
Nachdem die zu Ehren gestellte Wache eingezogen war, trat die Gilde vollzählig an und holte den Jubilar ab, der inmitten der Ehrendamen
unter einem Rosenbogen (getragen von zwei der Damen) den Festmarsch mit der Gilde zum Schützenhause, rüstig wie immer, mitmachte. Auf
dem Festplatze angekommen, gedachte Herr Bürgermeister Seedorf der Verdienste des Jubilars um die Gilde in dieser langen Reihe von Jahren und
ließ die Rede in einem begeistert aufgenommenen dreifachen Hoch ausklingen. Nun wurde dem Jubilar ein von dem Herrn Oberzahlmeister Petsch
gestifteter Jubiläumsorden mit Schwertern mit der eingravierten Widmung 1871 - 1921 überreicht, den der Jubilar bis zu seinem Scheiden tragen soll.
Hierauf trug Fräulein Hommel einen von einem Freunde des Jubilars verfaßten Prolog vor, der dem Jubilar sichtlich naheging.
Dieser dankte in bewegten Worten für die ihm erwiesenen großen Ehren und nach Auflösung des Festzuges begann nun das Ringen der Schützen um die
Siegespalme, die schließlich dem Herrn Gulben zufiel. Der Schützenplatz war überfüllt. Ein Gewoge von Menschen drinnen und draußen belebte
das Bild; die Jetschick'sche Kapelle leistete eine vortreffliche Konzert- und Ballmusik, so daß wohl alle Teilnehmer auf ihre Rechnung gekommen
sind, bis das Signal zum Einmarsch ertönte.
Dieser gestaltete sich zu einem unübersehbaren Menschenstrom, in welchem nur Kurzschritt möglich war. Die Einwohnerschaft ließ es an bengalischer
Beleuchtung nicht fehlen, und so endete der erste Festtag in bester Stimmung.
Kein Wort von dem publikumswirksamen Marsch durch die Kreuzstraße oder das Antreten auf dem Markt inklusive "Fahnenempfang vor dem Rathaus". Mit etwas
Fantasie kann man die ersten 3 Filmsekunden irgendwie mit dem angedeuteten Frühstück bzw. der Abholung des Jubilars in Deckung bringen. Wobei mir
die Würdenträger nicht bekannt vorkommen und tatsächlich auch das Haus, aus dem sie treten, aktuell noch nicht identifiziert ist.
Erschwerend kommt hinzu, daß zwei Jahre zuvor ebenfalls ein Pfingstschießen stattfand, vom welchem laut Senftenberger Anzeigerdefinitiv
Filmaufnahmen gemacht wurden. Dies würde besser zu dem erhaltenen Filmmaterial passen. Aber ich kann eben auch nicht die eingeblendete Jahreszahl 1921
ignorieren.