Fahnenweihe des Knappenvereins Grube Marga
(10.05.1925)

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- Grube Marga, 13.Mai. In prächtigen Frühlingsschmuck gekleidet, mit grünen Girlanden, Ehrenpforten und wehenden Fahnen geschmückt, erlebte am letzten Sonntage unsere Kolonie das Fahnenweihfest des hiesigen Knappenvereins. Zwar zeigte der Himmel am frühen Morgen, als das Tambourkorps zum Wecken auszog, ein gar trübes Gesicht; doch schon gegen 11 Uhr, als die Knappen angetreten waren, um ihre Gäste einzuholen, lachte die Sonne durch die Wolken, den Festteilnehmern einen noch recht schönen Tag versprechend. Nachdem die Vorstände der erschienenen Vereine die Ordnung im Festzuge besprochen hatten, wurde um ½3 Uhr in der Viktoriastraße aus den 11 auswärtigen Knappenvereinen und den 11 Ortsvereinen ein imposanter Zug gebildet. Voran die uniformierte Bergkapelle mit Schellenbaum und Helikon, dann die Ehrenjungfrauen mit breiten, schwarzgelben Schärpen und der lange Zug mit flatternden Fahnen, ging es zur Schule, wo die Ehrengäste sich einreihten. Auf dem Markplatze entwickelte sich nun ein festliches Bild. Die Vereine nahmen Aufstellung vor der schön geschmückten Rednerbühne. Mit dem Bergmannschor "Glück auf" von Kantor Leithmann, Spremberg, begrüßte der Gesangverein Marga die Festversammlung.
Der Vorsitzende des hiesigen Knappenvereins, Fahrsteiger Tilgner, rief allen Erschienenen ein herzliches Willkommen zu; seine Begrüßungsansprache gipfelte in den Worten des Harzer Wahlspruches "Es grüne die tanne, es wache das erz, Gott schenke uns allen ein fröhliches Herz!" Und nun begann der Weiheakt. Pastor Boedrich hielt die Festrede. Ausgehend von der schweren Knappenarbeit, bezeichnete er die Bergleute als das Salz der Erde, die das dunkle Reich der Tiefe durchdringen, um den Menschen, um allen Berufen und Berufsständen Segen zu stiften. Feierlichst übergab er dem Vorsitzenden die enthüllte Fahne, geschmückt mit den Wahrzeichen des Bergmanns, von dem sie dann der zukünftige Fahnenträger mit dem Versprechen, sie stets in Ehren dem Verein voranzutragen, übernahm. Ein Chor aus Knappen gebildet, sang ihr das Weihelied und Bergwerksdirektor Klitzing gab ihr warme Worte zum Geleite mit. Die Ehrenjungfrauen überreichten ein prächtiges Fahnenband aus schwarzem Samt und die anwesenden Vereine schenkten je einen Fahnennagel. Nach dem gemeinsamen Gesange "Es grüne die Tanne..." wurde Aufstellung zum Parademarsch genommen. Unter den Klängen "Glück auf, der Steiger kommt" marschierten die Vereine mit altem militärischen Schneid an den Ehrengästen vorbei.

Das war wahrlich ein erhebender Augenblick, wie selbst ergraute Männer mit strammen Schritt paradierten. Hieran schloß sich nun der Ummarsch durch die überreich geschmückten Straßen der Kolonie, wovon besonders die schöne Ehrenpforten der Nord- und Parkstraße auffielen. Durch die beiden Siedlungen gelangte der Zug zurück zum Marktplatz und machte vor der Kaiserkrone Halt, wohin die Fahnen abgebracht wurden. Der Strom der Festteilnehmer ergoß sich in den Garten des Gasthauses, wo die Ilse-Wohlfahrtsgesellschaft mit allen möglichen Erfrischungen aufwartete. Die Bergkapelle konzertierte hier unter der bewährten Leitung ihres Musikmeisters Torn, bis die Dunkelheit hereinbrach. Inzwischen hatte der Tanz begonnen und die fremden Vereine hielten sich tapfer dazu, um noch vor dem Nachhausegehen einige Tänze mitzunehmen. Bei dem prächtig gelungenen Fest sind von dem Filmoperateur des Kinobesitzers Herrn Petsch in Senftenberg Aufnahmen gemacht worden, die in seinem Kino zur Vorführung gelangen werden.

- Senftenberg, 10.Juni. Mit dem Film "Die Fahnenweihe des Knappenvereins in Grube Marga" hat Herr Petsch, Besitzer des Passage-Kinos, ein wirklich kleines Meisterwerk geschaffen. Die ganze Zusammenstellung des Films bietet eine reizende Uebersicht über das Fest, und alle Einzelbilder sind so klar und schön, daß jeder, welcher bei dem Fest war, sich leicht herausfindet. namentlich für die Teilnehmer an diesem fest müßte obiger Film eine große Anziehung ausüben. Der Besuch ist sehr zu empfehlen.

Soweit also der Senftenberger Anzeiger im Frühsommer 1925. Die relevanten Textpassagen habe ich farblich hervorgehoben. In vorliegendem Fall haben wir die seltene Gelegenheit über Text- und Filmmaterial zu verfügen, welches sich Ein jeder kann sich anhand der bewegten Bilder sein eigenes Urteil über das "kleine Meisterwerk" bilden. Aus meiner Sicht hebt sich der Streifen durch die langsamen Schwenks und die wechselnden Positionen des Kameramannes äußerst positiv von vergleichbarem Filmmaterial ab, welches statisch nur eine einzige Perspektive bietet.