- Senftenberg, 24. März. Gestern nachmittags erfolgte das Leichenbegängnis
der in den Gefechten bei Sachsendorf und Drebkau gefallenen 6 Teilnehmer,
welche auf Seiten der Roten Armee kämpften und dabei ihren Tod fanden. Kurz
nach 3 ½ Uhr setzte sich der nach vielen Tausenden zählende Zug unter
den Klängen des Liedes "Ich hat einen Kameraden" und des Chopin'schen
Trauermarsches vom Gasthaus Michael aus in Bewegung. Die Trauermusik hatte
die Stadtkapelle gestellt. Im Trauerzuge folgten kurz hinter der Kapelle
sämtliche Mitglieder des Aktions- und Vollzugs-Ausschusses, nachdem Mitglieder
des Magistrats und Stadtverordneten-Kollegiums, alsdann die städtischen
Beamten und Angestellten und nach ihnen auf zwei Wagen die 6 Leichen der
"März-Gefallenen". Die nächsten Angehörigen schlossen sich ihnen unmittelbar
an. Nunmehr folgte eine überaus große Anzahl von Vereinen mit roten Fahnen.
Der Zug passierte die Moritz- und Bahnhofstraße, Markt und Kreuzstraße durch
Jüttendorf nach dem neuen Friedhofe.
Dort hatte sich, wie auch in allen Straßen, eine außerordentlich große
Menschenmenge angesammelt. In einem Massengrab erfolgte sodann die Beisetzung
von 4 Leichen und zwar die der Arbeiter Hermann Dzialla aus Lauta, Willi
Mund aus Grube Marga, Oskar Zeidler - Senftenberg und Bruno Brückner - Grube
Marga. Geistlichkeit war nicht zugegen. Die Gedächtnisrede hielt Herr Dahlenburg,
welcher ungefähr folgendes ausführte:
"Hochverehrte Trauerversammlung! Werte Freunde und Angehörige! In tiefer
Trauer sind wir heute in dieser Stunde hier versammelt, um die lieben Brüder
und Freunde, die im Kampfe für Freiheit und Recht ihr Leben lassen mußten,
zur letzten Ruhe zu betten. Von jeher haben die Märztage in der Geschichte der
Revolution aller Völker eine bedeutsame Rolle gespielt. Und schon bei den
alten Römern erklang der Warnruf an Julius Cäsar: Hüte dich vor den Iden des
März! Auch in unserem Volke sind die Märztage nicht ohne schwere Erschütterungen
vorübergegangen. Nach 5jährigem Krieg und Blutvergießen hatten wir endlich
Frieden. In friedlicher Arbeit hofften wir in einem freien republikanischen
Deutschland wieder aufzubauen, was der Krieg niedergerissen hatte. Allenthalben
machten sich die Anzeichen einer wirtschaftlichen Gesundung bemerkbar; es
ging wieder vorwärts mit uns; das Kreditabkommen mit dem Auslande war dem
Abschluß nahe. Da wagte es eine Handvoll Verbrecher, getrieben vom Machthunger,
durch einen Putsch die Regierungsgewalt an sich zu reißen. Diese Verbrecher,
die es wagten, die Rechte eines 60 Millionenvolkes anzutasten, drückten uns
die Waffen in die Hand, um die eben erst erungene Freiheit zu verteidigen.
Dank des einmütigen Zusammenschlusses aller sozialistischen Parteien hat die
Arbeiterschaft den Sieg errungen.
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Diese Verbrecher mit Kapp und Lüttwitz an
der Spitze sind schuld an dem Tode unserer Freunde. Sie werden ihrer gerechten
Strafe nicht entgehen. Einst, wenn die Geschichte die Ereignisse der Revolution
schreiben wird, wird sie auch das Urteil fällen über das Verbrechen, das in den
vergangenen Tagen an dem deutschen Volke verübt worden ist. Die gefallenen
Freunde, die wir heute beklagen, sind nicht eure Toten allein, ihr trauernden
Angehörigen, es sind unsere Toten, die Toten des ganzen deutschen Volkes, und
besser als in einem Denkmal von Stein und Erz wird ihr Gedächtnis in unseren
Herzen fortleben. Sie sind den schönsten Tod gestorben, den Tod im Kampfe, für
Freiheit und Recht."
Mit einem Dichterwort Freiligraths, diese Freiheiten und Rechte des deutschen
Volkes zu wahren und nie Sklaven zu werden, schloß der Redner. Danach sprach
ein Vertreter der Arbeiterschaft von Marga. Herr Beigeordneter Barth legte im
Namen des Magistrats der Stadt Senftenberg einen Kranz nieder mit dem Versprechen,
daß die Stadt sich den Schutz und die Pflege der Gräber dieser Helden wird
angelegen sein lassen. Während der Arbeitergesangverein "Morgenrot" einen
Trauergesang anstimmte, senkten sich die Banner und Fahnen über die gemeinsame
Gruft. Während der Kranzniederlegung zerstreuten sich die Volksmassen.
Soweit der Senftenberger Anzeiger Ende März 1920. Das was wir hier in
gedruckter Form geboten bekommen, zeigt der gut 4-minütige Film teilweise in
bewegten Bildern. Bevor wir dem Begräbnis selbst beiwohnen und ein oder zwei
Blicke auf die Totenhalle des Neuen Friedhofes erhaschen, sehen wir den Leichenzug
bei der Durchquerung von Jüttendorf, konkret der Kaiser-Friedrich-Strasse. Dabei
sind die beiden Wagen mit den sechs Särgen zu sehen. Die beiden in obigem Text
nicht namentlich aufgeführten Toten waren nicht zur Beerdigung freigegeben,
da man sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig identifizieren konnte.
Sie wurden in den unteren Räumen der Friedhofskapelle aufgebahrt.
Einen Tag später wurden die beiden als Friedrich Rumposch und Erich Kalz,
beide aus Kolkwitz, identifiziert. Ferner wurden am 25. März die beiden Bergarbeiter
Bruno Schurig und Ferdinand Früh aus Grube Marga bestattet. Diesmal ohne großes
Begängnis.
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