Neues 193 - 2015-09-17

[Matthias]

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[Harald]

Anlässlich der am 22.01.1930 im voll besetzten "Webers Gasthaus" in Hörlitz anberaumten öffentlichen Gemeindevertretersitzung stellte Herr Pastor Scheffler im Punkt 9 der Tagesordnung einen

ANTRAG auf Gewährung einer BEIHILFE
zum ANKAUF einer ORGEL
für die evangelische Kirche Hörlitz - Senftenberg II.

Ich hätte nicht sein Gesicht sehen wollen, als mit nur 2 Gegenstimmen
- zum ersten Mal seit der Neuwahl waren in dieser Sitzung sämtliche Vertreter anwesend -
sage und schreibe ganze 25 Reichsmark bewilligt wurden...
Wie und vor allem von wem letztendlich die große Restsumme aufgebracht wurde,
ist mir leider bislang nicht bekannt.
Es muss aber danach alles sehr schnell gegangen sein, denn schon 2 Monate später,
am 7. März 1930, meldete der >Senftenberger Anzeiger< sehr euphorisch:

"Bald wird Orgelton unsern Gottesdienst verschönen !"

"Die Vorarbeiten zur Beschaffung einer ORGEL für unsere Heilandskirche sind rüstig vorgeschritten. In der vergangenen Woche sind bereits die Bestandteile der Orgel eingetroffen. Mit dem Aufbau ist sofort begonnen worden.
Die ORGEL stammt aus der Werkstatt des Orgelbaumeisters A. Voigt, Bad Liebenwerda. Sie ist das Meisterstück des Orgelbauers Arno Voigt, der darauf vor der Meisterprüfungskommission der Handwerkskammer Magdeburg das Prädikat 'sehr gut' erhalten hat.
Von den fünf Kostenanschlägen war der von der Firma Voigt eingereichte zunächst schon aus geldlichen Gründen der einzige annehmbare. Eine von den Gemeindekörperschaften eingesetzte Kommission, bestehend aus Pastor Scheffler und den Körperschaftsmitgliedern R. Lehmann und Schwarz hatten sich vor dem Kauf an Ort und Stelle von der Qualität und dem Ton der Orgel überzeugt. Das Urteil fiel überaus günstig aus, so daß dem Kaufabschluß noch am gleichen Tage nichts mehr im Wege lag."

Und dann ging es wahrlich Schlag auf Schlag, denn schon 3 Wochen nach Anlieferung der Einzelteile wurde bereits am 20. März die
EINWEIHUNG der ORGEL angekündigt,
und natürlich nicht ohne sehr ausführlich auf die technischen Details einzugehen:

"Die neue ORGEL...wird am kommenden Sonntag durch Superintendent Lehnerdt eingeweiht werden. Damit entsteht im Senftenberger Kirchenkreise ein Werk, das den von Mozart der Orgel gegebenen Ehrennamen 'Königin der Instrumente' zu Recht trägt.
15 klingende Stimmen - die Orgel der Deutschen Kirche hat nur 10 Stimmen mehr ! - verteilen sich auf zwei Manuale und ein Pedal.
Vermöge der eingebauten Spielhilfen, es handelt sich um 8 Koppeln, 3 feste und eine freie Kombination, eine automatische Pedalumschaltung, einen Rollschweller für das ganze Werk und einen Jalousieschweller für das zweite Manual, wird es möglich sein, alle Orgelwerke kompositionsgetreu wiederzugeben. 135 Tasten sind mit fast 1000 Pfeifen durch Bleirohre verbunden, die aufeinandergelegt, die stattliche Länge von über 3 Kilometer ergeben würde. Infolge der eingebauten Präzisionsvorgelege und der zahlreichen Koppeln erhöht sich die Zahl der Ventile über 2100. Da leider nur eine lichte Höhe von 3,20 Meter zur Verfügung stand, kann die längste Pfeife nur 3 Meter lang sein; die kürzeste Pfeife hat eine Länge von 2 Zentimeter. Im vollen Werk erklingen beim Spiel eines harmonischen achtstimmigen Akkordes über 190 Pfeifen. Den Wind liefert ein mit einem Motor von 3/4 PS betriebener Ventilator. Mehrere Apparate haben dafür zu sorgen, daß der Wind gleichmäßig und stoßfrei ist und selbst bei vollgriffigstem Staccatospiel nicht schwankt.
Möge das Instrument dazu beitragen, daß die >Musica Sacra< immer mehr Freunde gewinnt und im Musikleben Senftenbergs einen geachteten Platz einnimmt."

Höhepunkt war dann die ORGELWEIHE am 23. März 1930,
deren Ablauf im >Senftenberger Anzeiger< detailreich geschildert wurde:

Am 1. April begann ein neues Zeitalter:
Die KIRCHENMUSIK (Musica sacra) hielt Einzug in Senftenberg II / Hörlitz und zog viele interessierte Zuhörer an:

"In der PASSIONSANDACHT am morgigen Mittwoch werden u.a. Teile eines Werkes zu Gehör gebracht werden, die bisher in Senftenberg noch nicht erklungen sein dürften. Es handelt sich um das erste im vorigen Jahre von der Bach-Gesellschaft für den praktischen Gebrauch neu herausgegebene TRIO aus 'Musikalische Opfer' von J.S.Bach.
Das für Geige, Flöte, Cello und Orgel (Cembalo) geschriebene Werk wird wiedergegeben werden von Solisten des Koarschen Orchesters.
An der neuen ORGEL P. Scheffler."

Ich hoffe nur, dass sich alle Musikliebhaber an Martin Luthers MAHNUNG hielten:

“…hindere die Spielleute nicht.
Und wenn man lauscht, so schwatz nicht dazwischen
und spare dir deine Weisheit für andere Zeiten.”

Epilog:

Am 2. Mai lag dann gottlob auch der abschließende ORGELABNAHMEBERICHT vor,
der erwartungsgemäß aber so was von positiv ausfiel und damit ganz sicher mithalf,
die finanziellen Belastungen der Kirchengemeinde in ein günstiges Fahrwasser zu hieven:

"Zu Beanstandungen war nirgends ein Anlaß gegeben. Das Material ist ausgezeichnet und sauber genau verarbeitet, die zahlreichen technischen Hilfsmittel funktionieren tadellos. Intonation und Stimmung lassen nichts zu wünschen übrig, die Windzufuhr ist ausreichend und stoßfrei. Das volle Werk ist wuchtig, aber nicht schreiend, die Tasten reagieren auf den kleinsten Druck.
Kurzum, DIE ORGEL IST EIN MEISTERWERK !
Sehr dankbar sind wir der Orgelbaufirma auch dafür, daß sie uns durch angemessene Preise und äußerst entgegenkommende Zahlungsbedingungen den Kauf der Orgel überhaupt erst ermöglicht hat."